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Home Office mal anders

Ein Work-Life-Aben­teu­er­be­richt von Chia­ra Westphal.

Was mir initi­al durch den Kopf ging:

  • Home Office klappt all­ge­mein erstaun­lich gut.
  • Juhu! Man kann inner­halb Euro­pas wie­der rela­tiv gut reisen.
  • Unbe­grenzt Urlaub – Ja gut, aber eigent­lich sind mei­ne Auf­ga­ben und die gesam­te Ent­wick­lung der aktu­el­len Pro­jek­te viel zu span­nend, um sie jetzt nicht selbst wei­ter zu verfolgen.

Quiz­fra­ge: Was wur­de mir gebo­ten, damit ich letz­te­re Aus­sa­ge schreibe?

1. Eine Lohnerhöhung.

2. Zur Abwechs­lung kei­ne Schläge.

3. Weder noch. Ich emp­fin­de es wirk­lich so.

Nichts, aber wir sind eine ver­kapp­te Sek­te, deren Bei­tritts­kri­te­ri­um irgend­ei­ne Aus­prä­gung von Wahn­sinn ist, der zur Ein­bil­dung führt, dass Arbeit Spaß machen würde.

Chiara Westphal auf Motorrad auf dem Weg in die Workation

Mit dem Moped nach Süden!

Ergeb­nis aus den obi­gen Gedan­ken: Ich kom­bi­nie­re ein­fach alles und nen­ne es Home-Office-Spe­zi­al-Wochen. Gesagt, getan. Also schnapp­te ich mir einen Freund (der selbst­stän­dig ist und fle­xi­bel remo­te arbei­ten kann), ein Motor­rad, Klet­ter- und Hoch­tou­ren­aus­rüs­tung, buch­te noch eini­ge Wochen­end- bzw. Halb­ta­ges-Kajak­tou­ren dazu und mach­te mich für drei Wochen auf in die Alpen.

Woche 1 ver­bu­che ich was den Plan täg­lich die Nähe zu den Ber­gen nut­zen zu kön­nen als Teil­erfolg. Das Wet­ter war beschei­den. Ein wich­ti­ger Release stand an, der mei­ne Arbeits­zeit zum Leid­we­sen mei­ner Beglei­tung, auf einem kon­stant hohen Pen­sum hielt. Zudem fie­len hier und da Klei­nig­kei­ten auf, die ich nicht bedacht hat­te. Es ist für alle Betei­lig­ten anstren­gend, wenn ich von einem Gemein­schafts­raum einer Unter­kunft aus ohne Head­set an einer Web­Ko teil­neh­me. – Ich kauf­te ein neu­es Head­set. Eben­so ist es blöd, wenn die Unter­kunft von sich schreibt, dass es WLAN gäbe, es aber prak­tisch nicht nutz­bar ist. – Ich schloss einen neu­en Han­dy­ver­trag mit grö­ße­rem mobi­len Daten­vo­lu­men ab. Die kom­men­den Wochen lie­fen deut­lich besser.

Mein Fazit: Das waren defi­ni­tiv nicht die letz­ten Home-Office-Spezial-Wochen!

Inter­es­sant ist an der Stel­le was alles zu die­sem Fazit bei­getra­gen hat. In ers­ter Linie hat­te ich natür­lich Spaß. Alle mei­ne Hob­bys haben prak­tisch vor der Haus­tür auf mich gewartet.

Bevor ich gestar­tet bin, habe ich mir aber durch­aus einen Kopf dar­über gemacht, wie gut ich ein Gleich­ge­wicht zwi­schen Erreich­bar­keit und Effi­zi­enz und ande­rer­seits aber Spie­le, Spaß und Freu­de schaf­fen kann. Natür­lich wur­de im Team bis­her aus­drück­lich kom­mu­ni­ziert, dass es im Wesent­li­chen egal ist wann und wie viel jeder arbei­tet. Haupt­sa­che die Auf­ga­ben wer­den erle­digt und falls nicht, dann ange­mes­sen kom­mu­ni­ziert. Den­noch ist es ein inter­es­san­tes Expe­ri­ment zu sehen, was pas­siert, wenn man übli­che Vor­stel­lun­gen einer Art Kern­ar­beits­zeit völ­lig ignoriert.

Wenn auch vom Timing eher ungüns­tig, den­ke ich dass die ers­te Woche mit dem Release sehr wich­tig für den Beweis war, dass man sich da voll auf­ein­an­der ver­las­sen kann. Ich wuss­te, es ist wich­tig, also war ich da. Ab der zwei­ten Woche habe ich mei­ne Arbeits­zeit eher nach dem Wet­ter aus­ge­legt. Ist durch­aus etwas unkon­ven­tio­nell am Abend vor­her oder teils erst am sel­ben Tag mit­zu­tei­len, wann man am Tag ver­füg­bar ist. An son­ni­gen Tagen wur­den nur wich­ti­ge und/oder drin­gen­de Auf­ga­ben bear­bei­tet. Das hat natür­lich dazu geführt, dass ich ins­ge­samt weni­ger Zeit gear­bei­tet habe, als ich es im Büro übli­cher­wei­se tun wür­de. Immer wie­der hat mich das sehr bewusst zu der Fra­ge geführt: Läuft alles wie es soll? Ja: Dann kann ich mir frei nehmen.

Ein Expe­ri­ment wäre wohl kein Expe­ri­ment, wenn man nicht auch Zwei­fel hät­te. Mir war klar, dass ich auch Klein­kram zu erle­di­gen hat­te, den ich übli­cher­wei­se ein­fach mit zwei Stun­den Zeit mehr bear­bei­tet hät­te. Inso­fern wägt man hin­ter­grün­dig immer ab, ob denn das was man tut aus­reicht. Denn man könn­te ja deut­lich mehr schaf­fen, wenn man acht statt vier Stun­den arbei­ten wür­de. Das krie­ge nicht nur ich mit, son­dern alle. Extrem ange­nehm war dabei die Kom­mu­ni­ka­ti­on im Team. Im Zwei­fel ein­fach fra­gen, ob noch was zu tun ist oder ob sonst irgend­was nega­tiv auffällt.

An der Stel­le auch ein gro­ßes Dan­ke­schön an mei­nen Freund Bas­ti, der sich drei Wochen lang nach mei­nem anfäng­lich wenig fle­xi­blen Dienst­plan gerich­tet hat und einen wesent­li­chen Anteil dar­an hat, dass es so ein tol­ler Aus­flug wurde.

Zum Höhe­punkt an deut­lich spür­ba­ren Vertrauen/Flexibilität/Eigenverantwortung hat mei­ne vor­sich­ti­ge Anfra­ge für zwei spon­ta­ne Urlaubs­ta­ge in der drit­ten Woche geführt. Sinn­ge­mäß war die Reak­ti­on dar­auf: „Ja, klar. Du wirst selbst ein­schät­zen kön­nen, ob das geht. Sag Bescheid, wenn du noch Hil­fe beim Umpla­nen brauchst.“ Für den Kol­le­gen war es echt gut, dass ich so weit weg war. Ich hät­te ihn sonst im anschlie­ßen­den Eupho­rie­schub kaputt geknuddelt.

Zusam­men­fas­send wür­de ich das Gan­ze also als vol­len Erfolg ver­bu­chen. Von Sei­ten mei­ner Kol­le­gen habe ich unglaub­lich viel Ent­ge­gen­kom­men und Ver­ständ­nis erfah­ren. Euch Peers vie­len Dank dafür! Inter­es­sant war auch zu sehen wie gut ich mich per­sön­lich in egal wel­cher Umge­bung kon­zen­trie­ren konnte.

Wer noch Lust auf einen Aus­zug mei­ner per­sön­li­chen Rei­se-High­lights hat, fin­det nach­fol­gend mei­ne Top 3 der Arbeit-vs.-Freizeit-Erlebnisse.

Platz 3

In Woche 1 (durch­gän­gig durch­wach­se­nes Wet­ter) ließ sich doch mal die Son­ne bli­cken. Par­al­lel war­te­te ich aber auf eine Info eines Kol­le­gen, um den neu­en Stand einer Test­in­stanz tes­ten zu kön­nen. Ich bat also einen wei­te­ren Kol­le­gen dar­um mich anzu­ru­fen, sobald etwas getan wer­den konn­te. Bis dahin ging ich klettern.
Die Erfah­rung ein dienst­li­ches, wenn auch kur­zes Gespräch in der drit­ten Seil­län­ge einer Klet­ter­rou­te zu füh­ren, fand ich sehr erhei­ternd… Die Kom­bi hät­te ich mir davor eher schlecht vor­stel­len können.

„Hal­lo?! …nein, Noti­zen machen ist gera­de schlecht…nein, ich kann mir nicht mal schnell nen Zet­tel holen…!“

Platz 2

Ganz­ta­ges-Work­shop aus einer Knei­pe in Südtirol.

Es war laut. Glück­li­cher­wei­se war aber alles so abge­stimmt, dass mein Rede­an­teil mini­mal war. Auf das Zuhö­ren kon­zen­trie­ren ver­lang­te mir den­noch eini­ges ab. Rich­tig gut wur­de es, als ande­re Gäs­te mich zuneh­mend unter­halt­sa­mer fan­den, wie ich da so mit mei­nem PC und Head­set saß und neben­bei (wirk­lich groß­ar­ti­ge) Pas­ta schlürf­te. Bis ca. 14 Uhr habe ich vier bis fünf Ein­la­dun­gen mir einen Grap­pa aus­ge­ben zu las­sen freu­dig abge­lehnt. (Ich weiß, unnö­tig. Die Web­Ko hät­te es schließ­lich nicht schlech­ter gemacht. ^^) Zwi­schen­durch brüll­te eine der Kell­ne­rin­nen fröh­lich durch den Raum: „You work? No! Holi­day, holiday!“

Als mir dann ein Gast sein Han­dy mit einem lau­fen­den Video­an­ruf mit sei­nem Vater vor die Nase hielt und mir hei­ter irgend­was erzähl­te (Kei­ner von uns sprach eine Spra­che, die der ande­re ver­ste­hen konn­te. Schien aber egal zu sein.), hielt ich es für einen geeig­ne­ten Zeit­punkt mich vor­sich­tig aus dem Ter­min zu ver­ab­schie­den. (Lei­der habe ich dann den­noch kei­nen Grap­pa mit den Gäs­ten getrun­ken, da ich noch eine vier­stün­di­ge Motor­rad­tour über den alten Bren­ner­pass vor mir hatte.)

Sams­tag und Sonn­tag war das Wet­ter grenz­wer­tig bis durch­wach­sen, was den Span­nungs­pe­gel recht hoch hielt. Nichts­des­to­trotz (oder viel­leicht gera­de des­we­gen) hat­ten wir einen groß­ar­ti­gen Aus­flug. Wir waren aber auch sehr froh, dass alles geklappt hat­te und wir nicht irgend­wo im Fels biwa­kie­ren mussten.

Platz 1

Von Sams­tag bis Mon­tag mach­ten wir eine Tour über zahl­rei­che Klet­ter­stei­ge durch die Bren­ta. Am Mon­tag soll­te nur noch der Abstieg statt­fin­den. Da das nur vier bis fünf Stun­den dau­ern soll­te, mach­te ich mir für den Nach­mit­tag einen dienst­li­chen Ter­min aus.

Der ers­te Teil des Abstiegs ging schnel­ler als erwar­tet, wes­we­gen wir vom ursprüng­li­chen Rou­ten­plan abwi­chen und einen Weg vor­bei an einem See wähl­ten. Nur zwei Kilo­me­ter wei­ter soll­te uns ein Lift dann wei­ter­brin­gen, sodass die neue Rou­te nicht län­ger als geplant hät­te dau­ern sollen.

Am Lift ange­kom­men war unschwer zu sehen, dass die­ser nicht fuhr. Wir tausch­ten uns kurz mit einem Mit­ar­bei­ter der Sta­ti­on aus. Die­ser war der Mei­nung, dass der schnells­te Weg für uns nach unten quer­feld­ein unter­halb der Seil­bahn sei. Inter­es­san­ter Vor­schlag. Wir ver­such­ten also so schnell wie mög­lich einen ca. 60 Grad geneig­ten Hang mit aller­hand feuch­tem Gestrüpp hinunterzulaufen.

Gut war: Durch den recht hohen Bewuchs fiel man meist rela­tiv weich, wenn man mal in einer der zahl­rei­chen Boden­un­eben­hei­ten ver­sank. Weil das so viel Spaß mach­te, ent­schied ich mich an einer Kreu­zung mit einem Wan­der­weg ca. fünf Kilo­me­ter in eine teils fal­sche Rich­tung berg­ab zu lau­fen. Mei­ne Beglei­tung und ich kamen also etwa drei Kilo­me­ter von­ein­an­der ent­fernt im Tal an. Bei­de stell­ten wir fest, dass es (außer einem Taxi viel­leicht) kein sinn­vol­les Ver­kehrs­mit­tel gab, dass uns zum Auto hät­te brin­gen kön­nen. Wir sind also bei­de getrampt. Das klapp­te zufäl­lig fast zeit­gleich, sodass wir letzt­end­lich doch pünkt­lich (da war ja noch die­ser Ter­min) im Auto auf dem Rück­weg zur Unter­kunft waren. An die­ser Stel­le möch­te ich gern mei­nen Kum­pa­nen zitie­ren, der recht unver­ständ­lich auf mein ange­spann­tes Gemüt reagier­te: „Was hast du denn? Es hat doch alles geklappt!“

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